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News vom 28.01.2020

Studie: Feinde oder Partner? Kritische Stakeholder in Krisensituationen

eingeordnet von Sebastian Jansen
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Studiensteckbrief: Feinde oder Partner? Kritische Stakeholder in Krisensituationen

Erkenntnisinteresse

Wie kommunizieren Organisationen mit gegnerischen Stakeholdern während einer Krise? Wie sehr öffnen sich Kommunikatoren gegenüber gegnerischen Bezugsgruppen zum Dialog? Was hindert Kommunikatoren daran, stärker den proaktiven Dialog mit kritischen Stakeholdern zu suchen?


Methode

Qualitative Interviews mit zehn leitenden Kommunikationsmanagern in Polen. Befragungszeitraum: April bis Mai 2018.


Ergebnisse

Die Studie der Universität Warschau beleuchtet die Hintergründe, wie Kommunikatoren in Krisensituationen den Dialog mit kritischen Stakeholdergruppen suchen und warum gerade der Austausch mit „Gegnern“ häufig zu kurz kommt.

Grundsätzlich sind sich die in der Studie befragten Kommunikationsmanager darin einig, dass sich Offenheit und Ehrlichkeit in der Krisenkommunikation auszahlen. Dass es trotzdem noch keine umfassende Kultur des Stakeholderdialogs in der Unternehmenskommunikation gibt, hat den Ergebnissen zufolge zwei Gründe:

  • Kommunikatoren vernachlässigen kritische Stakeholder
  • Die Befragten geben an, als Kommunikatoren zum Teil Angst zu haben, sich außerhalb ausgetretener Kommunikationspfade zu bewegen und mit kritischen Stakeholdern in den direkten Austausch zu treten. Stattdessen kommunizieren sie lieber über die gewohnten Kommunikationskanäle mit Zielgruppen, die ihnen und ihrer Organisation wohlgesonnen sind (Mitarbeiter, bekannte Journalisten, Social Media Influencer, etc.). Dieser Fokus auf die nahestehende Organisationsumwelt führt allerdings dazu, dass Ansichten kritischer Stakeholder häufig gar nicht beachtet oder vollkommen falsch eingeschätzt werden.

  • Organisationsvorstände wollen keinen engeren Austausch mit ihren Kritikern
  • Befragte Kommunikatoren, die Unternehmensaspekte frühzeitig mit Stakeholdern diskutieren und aushandeln wollen, werden häufig von ihrem Vorstand zurückgehalten. Grund hierfür ist, dass Vorstände einen Dialog mit kritischen Stakeholdern auf Augenhöhe häufig als Zeichen von Schwäche ansehen. Zudem fürchten sie, dass sich gegnerische Bezugsgruppen erst recht zu einem öffentlichen Angriff gegen das Unternehmen ermutigt fühlen können, wenn sie von Kommunikatoren neue Einblicke in Unternehmensentscheidungen erhalten. Die Ergebnisse zeigen, dass das Top-Management die Chance noch nicht verstanden hat, die ein offener Stakeholderdialog hinsichtlich Krisenprävention und Beziehungsmanagement bieten würde.


Bei Kommunikationsmanagern herrscht hingegen ein deutlich fortgeschrittenes Verständnis vor: Sie erkennen, dass sich Krisen nicht verhindern oder auflösen lassen, wenn man kritische Bezugsgruppen pauschal als Gegner oder sogar „Feinde“ wahrnimmt. Zielführender ist es, sie als Partner anzusehen und gegenseitige Standpunkte zu diskutieren und Lösungen auszuhandeln. Voraussetzung für einen zielführenden Dialog sind Offenheit und Transparenz. Mit kritischen Stakeholdern in einen offenen Dialog zu treten und ihren Bedenken zuzuhören, eröffnet die Chance, trotz gegensätzlicher Ansichten eine vertrauensvolle Beziehung mit ihnen aufbauen zu können. Das geschaffene gegenseitige Verständnis stellt die Grundlage dar, um bestehende Krisen zu lösen und zukünftige Krisen frühzeitig verhindern zu können.

Die befragten Kommunikationsmanager geben allerdings an, dass sie sich unsicher fühlen, Dialogangebote oder Stakeholderbefragungen erfolgreich durchzuführen, weil es ihnen häufig noch an fachlicher und methodischer Expertise fehlt.

Unser Fazit

Die Studie liefert detailreiche Einblicke in die Herausforderungen und praktischen Hürden von Kommunikationsmanagern in Krisensituationen.

Auffällig ist, dass unter den befragten polnischen Kommunikationsmanagern und ihren Vorständen offensichtlich eine kriegerische Rhetorik noch weit verbreitet ist. Die Aussagen der Befragten zeigen allerdings, dass ironischerweise gerade diese aggressive Unterscheidung in Freund und Feind dazu führt, dass Krisen überhaupt entstehen. Die Studie schärft das Bewusstsein dafür, wie leicht es ist, sich in einer stark polarisierten Kommunikationsumgebung auf antagonistische Kommunikationsmuster zurückzuziehen. Gleichzeitig wird klar, wie brandgefährlich dieses auch in der deutschen Kommunikationslandschaft immer noch zu findende Verhaltensmuster für Organisationen ist.

Wer als Kommunikator den ernsthaften Dialog mit vermeintlich „feindlichen“ Bezugsgruppen sucht, steigt folglich nicht „mit dem Feind ins Bett“, sondern kommuniziert vernünftig und zukunftsgerichtet: Er schafft Gelegenheiten für einen offenen Austausch, durch den krisen-provozierende Issues frühzeitig erkannt werden können, Ausmaß und Folgen von Krisen besser kontrolliert und im Idealfall Krisen sogar vollständig verhindert werden können.

Voraussetzung ist, dass sowohl Kommunikatoren als auch Organisationsvorstände eine solche zweiseitige Kommunikation als sinnvoll und erstrebenswert ansehen. Wer als Kommunikationsverantwortlicher evaluiert, wie seine Arbeit auf Stakeholderseite wahrgenommen wird und wie sich die Einschätzung seiner Organisation über die Zeit verändert, hat beste Karten, dass auch sein Organisationsvorstand versteht und unterstützt, was Stakeholderdialoge für das Beziehungsmanagement und die Krisenprävention von Organisationen leisten.

Veröffentlichung

Januar 2020: Corporate Communication: An International Journal; Jacek Barlik

Mehr Informationen zur Studie: Sleeping with your enemies – and what happens later

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