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Wie können CSR-Kampagnen, die in sozialen Netzwerken gesellschaftlich Haltung beziehen, zeitgemäß gestaltet, analysiert und beschrieben werden? Welchen Effekt erzeugen solche Strategien in sozialen Medien und darüber hinaus? Lassen sich am konkreten Fallbeispiel neue Diskursstrategien erkennen?
Fallstudie mit Diskursanalyse, ausgehend von Posts der US-amerikanischen Outdoor-Bekleidungsmarke Patagonia via Webseite, Blog, Twitter (1 eigener Beitrag, 2.100 Kommentare), Facebook (3 eigene Beiträge, 2.567 Kommentare) und Instagram (1 eigener Beitrag, 3.410 Kommentare). Untersuchungszeitraum Dezember 2017 - März 2018.
Ende 2017 reagierten die Kommunikationsstrategen des Outdoor-Ausstatters Patagonia auf den Beschluss der US-Regierung, mehrere Nationalparks drastisch zu verkleinern, mit einer großangelegten Social Media Kampagne. Unter dem Hashtag #MonumentalMistake konnten Nutzer über die Unternehmens-Website automatisch Tweets mit dem Statement-Video „The President stole your Land“ posten. Die in schwarz-weiß gestaltete Kampagne auf Twitter, Facebook und Instagram bezog kompromisslos Position gegen die Regierungsentscheidung. Statements verschiedener Mitglieder des Topmanagements verliehen der Kampagne Authentizität, Aufmerksamkeit und Reichweite.
Die Analyse zeigt: Das Unternehmen knüpft mit seiner Kampagne an gesellschaftspolitische Diskurse an, die zu diesem Zeitpunkt hochaktuell und brisant sind: Fake News, Gesetzestreue, sowie Nachhaltigkeit und Regionalität. Dieses Andocken an politisch brisante Diskurse erzeugt Reichweite und erreicht Stakeholdergruppen, die sonst nicht unbedingt von der Outdoor-Bekleidungsmarke angesprochen werden.
Gleichzeitig führt die klare politische Positionierung zu einer Polarisierung, die ein starkes Social Media Engagement hervorruft.
Die Auswertung des ausgelösten Diskurses ergibt vier typische Nutzerreaktionen:
Die polarisierende Kampagne erzeugte auf der einen Seite zwar viele lautstarke, negative Äußerungen in den sozialen Medien, auf der anderen Seite aber stiegen die Umsätze des Unternehmens im direkt anschließenden Weihnachtsgeschäft. Aus wirtschaftlicher Sicht kann die Positionierungskampagne als Erfolg gewertet werden.
Die Studienautorinnen benennen die Grundmerkmale dieser neuen, provokativen Diskurs-Strategie:
Die in der Studie vorgestellte Kampagne von Patagonia ist ein Paradebeispiel dafür, wie Purpose-Unternehmen mit einer gezielten gesellschaftspolitischen Positionierung nicht nur enorm hohe Reichweite erzeugen, sondern auch ihre Markenpositionierung schärfen können. Patagonia ist eine der Firmen, die schon früh einen erkennbaren Unternehmenszweck (mittlerweile „We’re in business to save our home planet“) formulierten und ihr unternehmerisches Handeln danach ausrichten. Schon lange vor der hier beschriebenen Kampagne galt das Unternehmen aufgrund seines dauerhaften Engagements für Nachhaltigkeit als Musterbeispiel für gelungene Umsetzung von innovativen und unkonventionellen CSR-Maßnahmen. Bei seiner gesellschaftlichen Positionierung kann sich Patagonia daher auf eine langfristig aufgebaute Authentizität stützen.
Dass sich die Studie ausschließlich aus dem Blickwinkel der CSR mit dem Fall beschäftigt, wirkt etwas aus der Zeit gefallen, ist aber hilfreich, um den Zusammenhang von CSR und Purpose zu illustrieren. Patagonias Strategie ist erfolgreich, weil sie sich nicht auf vereinzelte, unverbundene CSR-Aktionen stützt, sondern an einen übergreifenden Unternehmenszweck erkennen lässt. Ausgehend von diesem stabilen Wertefundament kann das gesamte Unternehmen mit seinen Mitarbeitern, Produkten, Prozessen und Werten glaubhaft für die Kampagne einstehen. Damit ist die Strategie den affektgetriebenen Diskursen in den sozialen Medien (von der Studie durchgehend als „wild public networks“ beschrieben) gewachsen. Die hervorgerufenen negativen Reaktionen, die in der durchgeführten Analyse eindrücklich belegt werden, sind zweitrangig – entscheidend ist die Verbreitung der übergeordneten Botschaft und die glaubwürdige Verbindung der Marke mit der Botschaft.
Interessant ist auch, dass aus den Reaktionen auf die Beiträge des Unternehmens mittels Themen-Mapping Diskursstränge herausgearbeitet werden. Entlang dieser lassen sich die mit der Marke in Verbindung gebrachten gesellschaftlichen Themen beobachten und steuern. Im Mittelpunkt stehen nicht die Reichweite und Performance der eigenen Kommunikation, sondern das (Corporate) Listening: Wie Stakeholder mit der provokativen gesellschaftlichen Botschaft interagieren, wie sie sie diskursiv weiterspinnen und welche Positionen sie beziehen. Dieses methodische Verfahren ist in vereinfachter, automatisierter Form in verschiedenen anderen Fällen denkbar.
Für die strategische Kommunikation eröffnet sich dadurch eine neue Herangehensweise: Anstelle detaillierter Stakeholderanalysen und Targetings kommuniziert das Unternehmen lediglich reichweitenstark seine Meinung und überlässt sie den „wild public networks“: Wer sich von der Aktion, der Botschaft und dem dahinterstehenden Unternehmenszweck angesprochen fühlt, ist ein potentieller Kunde bzw. Unterstützer der Marke. Auf die anderen wird nur wenig Energie verwendet.
Die langfristigen Effekte einer solchen Kampagne lassen sich nicht mit Social-Media-Analysen erfassen. Hierzu muss man die Filterblase verlassen und die Markenwahrnehmung (Bekanntheit, Beliebtheit, Image) direkt bei potenziellen Kunden erfassen: Über repräsentative Bevölkerungsumfragen, Fokusgruppen oder Kundenbefragungen an den Points of Sale.
November 2019: Victoria R. Dawson, Elisabeth Brunner
Mehr Informationen zur Studie: Corporate Social Responsibility on Wild Public Networks: Communicating to Disparate and Multivocal Stakeholders
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